Arbeitsrecht gelöst (?)...

Die Anforderungen an die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht
bei Leiharbeitnehmern

Der Leiharbeitnehmer wird vom Verleiher an den Entleiher verliehen. Er erbringt seine Arbeitsleistung beim Entleiher. Das Arbeitsverhältnis ist zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher begründet. Wer ist nun für den Arbeitnehmer verantwortlich?

Gemäß § 618 BGB trifft die Fürsorgepflicht -insbesondere die Normen des technischen Arbeitsschutzes, den Verleiher. Denn er ist der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers.

Indessen erbringt der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung regelmäßig im Betrieb des Entleihers nach dessen Weisungen, so dass der Verleiher nur sehr begrenzt auf den Arbeitsablauf Einfluss nehmen kann. Schon aus dieser Eingliederung in den Entleiherbetrieb folgen die Anwendbarkeit der für den Entleiherbetrieb geltenden öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften und die gemeinsame Verantwortlichkeit von Verleiher und Entleiher.

Insoweit kommt es zu einer Aufspaltung der Fürsorgepflicht zwischen dem Verleiher und dem Entleiher: zwar hat der Verleiher als Arbeitgeber die nach § 3 Abs. 1 ArbSchG erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Demgegenüber ergreift jedoch der Entleiher in seinem Betrieb die praktischen Maßnahmen zur Durchführung des Arbeitsschutzes und der Verleiher ist im Wesentlichen auf die Überwachung und Kontrolle des Entleihers beschränkt.

Diese Aufspaltung der Fürsorgepflicht zwischen dem Verleiher und dem Entleiher hat auch in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen ihren Niederschlag gefunden:

Nach § 12 Abs. 2 ArbSchG trifft bei einer Arbeitnehmerüberlassung die Pflicht zur Unterweisung nach § 12 Abs. 1 ArbSchG den Entleiher. Er hat die Unterweisung unter Berücksichtigung der Qualifikation und der Erfahrung der Personen, die ihm zur Arbeitsleistung überlassen werden, vorzunehmen. Die sonstigen Arbeitsschutzpflichten des Verleihers bleiben unberührt.

§ 11 Abs. 6 AÜG sieht dazu vor:
"Die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher unterliegt den für den Betrieb des Entleihers geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts; die hieraus sich ergebenden Pflichten für den Arbeitgeber obliegen dem Entleiher unbeschadet der Pflichten des Verleihers. Insbesondere hat der Entleiher den Leiharbeitnehmer vor Beginn der Beschäftigung und bei Veränderungen in seinem Arbeitsbereich über gefahren für Sicherheit und Gesundheit, denen er bei der Arbeit ausgesetzt sein kann, sowie über die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren zu unterrichten. Der Entleiher hat den Leiharbeitnehmer zusätzlich über die Notwendigkeit besonderer Qualifikationen oder beruflicher Fähigkeiten der einer besonderen ärztlichen Überwachung sowie über erhöhte besondere Gefahren des Arbeitsplatzes zu unterrichten."

Dabei wird die allgemeine Bestimmung des § 11 Abs. 6 Satz 1 AÜG durch die Sätze 2 und 3 ergänzt und konkretisiert. Sie bestimmen für den Entleiher spezielle Unterrichtungspflichten, die eigenständig neben die Schutz- und Unterrichtungspflichten des Verleihers treten.

vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht Beschluss vom 07.06.2016 - 1 ABR 25/14

In der Konsequenz muss sich der Verleiher vom Einsatzort und den dortigen Anforderungen an den Leiharbeitnehmer und der Gefährdungslage ein klares Bild verschaffen (Arbeitsplatzbesichtigung). Die Arbeitsplatzbesichtigung sollte unbedingt sorgfältig dokumentiert werden, § 6 ArbSchG.

Der Verleiher muss den Leiharbeitnehmer unterweisen und zwar im Hinblick auf die allgemeine Arbeitssicherheit in seinem Betrieb (Grundunterweisung) und im Betrieb des Entleihers (weitere Unterweisung Arbeitssicherheit / Unfallverhütung). Auch insoweit sollte eine schriftliche Dokumentation selbstverständlich sein.

Schließlich sollte der Verleiher den Leiharbeitnehmer für den vorgesehenen Zweck sorgfältig auswählen und die Auswahlkriterien und Auswahlentscheidung ebenso dokumentieren.

Der Entleiher bzw. dessen Beschäftigte sind im Hinblick auf die Beachtung der gegenüber dem Leiharbeitnehmer bestehenden Schutzpflichten des Verleihers weder Erfüllungsgehilfen, noch Verrichtungsgehilfen. Der Leiharbeitnehmer kann gegenüber dem Verleiher also nicht geltend machen, er sei durch Versäumnisse des Entleihers (z.B. mangelhafte Weisung, nicht abgesicherte Gefahrenstellen) geschädigt worden. Vielmehr ist der Leiharbeitnehmer verpflichtet, eventuelle Missstände am Arbeitsplatz dem Verleiher unverzüglich mitzuteilen, damit diese Abhilfe schaffen kann.

Bei Arbeitsunfällen ist schließlich zu beachten, dass der Verleiher als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers gem. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet ist, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Der Vorsatz muss dabei nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch den Verletzungserfolg umfassen.

Johann Schneider
Rechtsanwalt